Sonntag, 8. September 2013

Ein verfahrenes Verfahren

Ein besonderes Stück Rechtsgeschichte wird derzeit am größten hessischen Amtsgericht in Frankfurt am Main geschrieben. Denn mittlerweile zieht das Verfahren, das als Beleidigungsprozeß gegen einen jüdischen Arzt aus Frankfurt im Spätsommer 2012 begonnen hatte, sogar Kreise bis zum hessischen Justizministerium und in die hessischen Landespolitik, da einer der Akteure, der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Manfred Gönsch, als SPD-Direktkandidat für die näher rückende Landtagswahl am 22. September 2013 aufgestellt wurde und derzeit Kreistagsvorsitzender des Hochtaunuskreises ist.



Kostümierung als Jude, um „Israelkritik“ besser verkaufen zu können

Der Frankfurter Mediziner Dr. Adam Poznanski hatte sich in einem sozialen Netzwerk sowie auf seinem privaten Blog über die seiner Meinung nach dubiosen Umtriebe einer Musiklehrerin aus dem Rheinland geäußert. Diese Irena Wachendorff agierte als angeblich jüdische Stimme auffällig einseitig und aggressiv gegen den Staat Israel polemisierend. Dies zusammen mit dem Münsteraner CDU-MdB Ruprecht Polenz, der auch Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates und Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages ist. Zusammen mit anderen Gleichgesinnten engagierten sich beide für einen Waldorfkindergarten in Israel, der nach ihrer Ansicht zum Friedensprozeß beitragen sollte. Hierfür gründete die Musiklehrerin Wachendorff einen deutschen Unterstützungsverein, den sie als „gemeinnützig“ und als „spendenabzugsfähig“ auf ihrer Internetseite und auf Vorträgen bewarb.

Aufgrund des Spürsinns des Frankfurter Arztes, dem einige Unstimmigkeiten an der Biografie der Musikerin und Lyrikerin aufgefallen waren, und aufgrund seiner persönlichen Betroffenheit als Jude und Israeli bekam die öffentlich ausgetragene Begegnung und Auseinandersetzung eine ganz besonders schmutzige Wendung. Die rheinische Musiklehrerin Wachendorff hatte nämlich stets vorgetragen, sie sei Jüdin, ihr verstorbener Vater sei sehr fromm und Berater eines Rabbiners gewesen, habe die Nazizeit im Exil in England überlebt, ihre Mutter dagegen sei als Häftling im KZ Auschwitz gewesen. Sie selbst habe eine Zeitlang in Israel gelebt, habe in der israelischen Armee gedient, sei im Libanonkrieg bei der kämpfenden Truppe gewesen, und sie sei inzwischen „liberale Jüdin“ und antizionistisch, was sie besonders qualifiziere für ihr Engagement im Nahen Osten. Alles Lügen, wie sich alsbald herausstellen sollte. Weder waren die inzwischen beide verstorbenen Eltern der Wachendorff Juden, noch war sie jemals selbst offiziell konvertiert. Es gab auch keine jüdische Gemeinde, die eine Mitgliedschaft hätte bestätigen können.



Polenz und die Vorzeige-„Jüdin“, die gar keine ist

Auf der Facebookseite von Ruprecht Polenz startete dieser am 3. Dezember 2011 eine namentliche Kampagne gegen den jüdischen Arzt und gegen andere Personen; der bis dahin nur mit Initialen bezeichnete jüdische Arzt wurde nun von Polenz mehrfach mit ausgeschriebenem Namen angesprochen und kommentiert, was angesichts des „Bekanntenkreises“ von Polenz – eben auch im arabisch-terroristischen Umfeld – eine erhebliche Gefahr für Dr. Poznanski und seine Familie bedeutete. Auf der Facebookseite von Polenz wurden dann zu dieser Frage harte verbale Auseinandersetzungen geführt, wobei Polenz jeden der zahlreichen Kritiker der Frau Irena Wachendorff eifrig zensierte und maßregelte, bis hin zu Kommentarsperrungen. Aus dieser Zeit stammen dann Äußerungen – vier Wochen zuvor hatte sich der Frankfurter Arzt lediglich zu Irena Wachendorff und bis dahin mit keinem Wort zu Ruprecht Polenz geäußert, was sich nun änderte –, die zu Strafanzeigen der Lyrikerin Wachendorff und auch von Ruprecht Polenz gegen den Internisten Dr. Poznanski führten.

Am 29.10.2012 reichte die Frankfurter Staatsanwältin Höra beim Amtsgericht eine Anklageschrift ein, die insgesamt sieben Anklagepunkte umfaßte. Diese sollte insgesamt circa 60 (in Worten: sechzig!) denkbare Ehrverletzungen zur Anklage bringen. Um die Dimension des Falles erfassen zu können, sei an dieser Stelle bereits verraten: der Prozeß wegen Beleidigung (§ 185 StGB) und übler Nachrede (§ 186 StGB) ist auch heute, nach drei(!) Verhandlungstagen zwischen dem 29.4.2013 und dem 14.5.2013, noch immer nicht abgeschlossen. Von den sieben Anklagepunkten hat die Staatsanwaltschaft selbst fünf zurückgezogen, mittels eines sehr ungewöhnlichen prozeßökonomischen Juristentricks. Zudem ist die Strafanzeige des Ruprecht Polenz in den Akten der Frankfurter Staatsanwaltschaft „nicht mehr auffindbar“.
Polenz brüstet sich mit seiner Strafanzeige, aber die Staatsanwaltschaft stellt sich dumm 







































Eine Zeugin wurde wegen eines angeblichen – allerdings für niemanden außer dem Richter ersichtlichen – drohenden Nervenzusammenbruches entlassen, obwohl die Verteidigung noch viele Fragen an die Zeugin hatte und gegen die Entlassung protestierte, es gab unzählige Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden des Prozesses, den inzwischen im Ruhestand befindlichen Amtsrichter Biernath, die sämtlich als „unbegründet“ abgelehnt wurden. Dem Angeklagten wurde das Rederecht in der Verhandlung entzogen; als er den Richter fragte warum dieser die Zeugenbefragung durch ständiges Kommentieren für die Zeugen behindere, pöbelte ein zunächst unbekannte Zuschauer während der Verhandlung und schrie dem angeklagten jüdischen Arzt zu, er solle „die Schnauze halten“, und drohte ihm öffentlich Prügel an.

Soweit die Übersicht, ergänzt werden sollte noch, daß es inzwischen diverse Strafanzeigen gegen den Richter, den Staatsanwalt, den CDU-MdB Polenz und die Zeugin Wachendorff gibt, ferner Dienstaufsichtsbeschwerden gegen zwei Richter und zwei Staatsanwälte, eine Beschwerde beim Justizministerium und eine Anzeige beim Bundesanwalt in Karlsruhe gegen Ruprecht Polenz wegen Verdachts auf Landesverrat sowie wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Ebenfalls angezeigt wurde die Musiklehrerin Wachendorff wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung, da sie möglicherweise die Spendengelder veruntreut und die Umsatzsteuer aus Spenden an ihren Verein nicht korrekt versteuert hatte – die Gelder wurden nämlich außer Landes verbracht, womit sie umsatzsteuerpflichtig wurden.



Zynische Provokationen durch den Richter

Der erste der drei Verhandlungstage am 29. April 2013 ließ sich etwas zäh an, da der Richter Biernath die zugestandenen technischen Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten (Notebook, Beamer, Projetionsleinwand auf Stativ) untersagte; dadurch zog sich die Darstellung des Angeklagten, die immer wieder von Vorsitzenden unterbrochen wurde, erheblich in die Länge. Erst nach der Mittagspause, nach über drei Stunden, konnte die erste Zeugin, die besagte Musiklehrerin Wachendorff aus Remagen, vernommen werden. Erstaunlicherweise ließ jedoch der Richter genau die zentralen Fragen bei der Befragung durch die Verteidigung nicht zu, die sozusagen den Kern der Anklage berührten: war die Wachendorff nun jüdisch oder nicht? Denn wenn sie keine Jüdin ist, ist es auch nicht ehrverletzend, ihr nachzuweisen, daß sie eine erschwindelte jüdische Biografie gestreut hatte – was der Angeklagte mit dem Wort „Kostümjude“ belegte. Als einzigen „Nachweis“ konnte sie eine undatierte Photographie von sich selbst vorzeigen, die sie als Schülerin mit einem „Davidstern“ an einer Halskette zeigt, sowie eine „Bescheinigung“ eines Lehrers, der allerdings nur bestätigte, daß die Wachendorff ihm erzählt habe, sie habe jüdische Vorfahren. Das alles war sogar dem der Zeugin ersichtlich zugetanen Richter Biernath zu dubios.



Der Staatsanwalt duzt den Angeklagten

Der gesamte Prozeßverlauf zeigte einige Abenteuerlichkeiten: mehrfache Androhungen an den Angeklagten, er werde wegen Mißachtung des Gerichts in Ordnungshaft genommen, Fragen an Zuschauer, warum sie Mitschriften anfertigten, Fragen der Verteidigung an die Zeugin, die vom Richter beantwortet wurden statt von der Zeugin und ähnliche juristisch delikate Vorgehensweisen. Daß der Staatsanwalt den angeklagten Juden urplötzlich duzte, wofür er sich nach mehrfacher Aufforderung durch den Richter wenigstens entschuldigte, war ein weiterer Höhepunkt, der im Zuschauerraum zu unverhohlener Belustigung führte. In diesem Stil verlief auch der zweite Verhandlungstag, der 2. Mai 2013, somit ebenfalls ergebnislos.

Die Fortsetzung des Prozesses am 14. Mai 2013, ausgerechnet am Unabhängigkeitstag des Staates Israel (14. Mai 1948), wie Dr. Adam Poznanski süffisant anmerkte, endete dann auch folgerichtig mit einem Eklat: zum einen wurde von der Verteidigung bemängelt, daß der Richter mit der Zeugin Wachendorff und deren Zeugenbeistand in der Pause Gespräche führte, zum anderen war dem Angeklagten das Rederecht entzogen worden.

Dies führte zu weiteren – abgelehnten – Befangenheitsanträgen, aber zusätzlich auch dazu, daß nun der Angeklagte seine Fragen dem Verteidiger stellen mußte, der sie dann erst an die Zeugin stellen konnte. Mit diesem Spiel verbrachte das Gericht dann weitere vier Stunden.



Die Zeugin Wachendorff gesteht ein, gelogen zu haben

Nach der Mittagspause erfolgte dann die Entlassung der Zeugin Wachendorff gegen den Protest der Verteidigung, da die Musiklehrerin aufgrund psychischer Erschöpfung nicht mehr vernehmungsfähig war, nach Einschätzung des Gerichts. Zuvor hatte sie im Zeugenstand alle ihre Lügen über ihre angebliche jüdische Herkunft und angebliche jüdische Identität eingestanden. Der Richter Biernath verkündete nun einen Beschluß, wonach sich der Angeklagte einer psychiatrischen Begutachtung zu stellen habe um zu klären, ob er überhaupt „schuldfähig“ sei.

In dieser Phase der Verhandlung mischte sich – unter heftiger Mißachtung sowohl des Gerichts als auch der Strafprozessordnung – ein damals noch unbekannter Zuschauer ein, der Dr. Poznanski anschrie, er solle endlich „die Schnauze halten“, und dem jüdischen Arzt anbot, ihn auf dem Flur zu verprügeln. Dieser Zuschauer wurde inzwischen als Richterkollege des Vorsitzenden Biernath erkannt, nämlich als der hessische SPD-Landtagskandidat Manfred Gönsch. Daß weder Richter noch Staatsanwalt den Provokateur zur Ordnung riefen oder ihm Einhalt geboten, ließ bei manchen Zuschauern den Eindruck eines „abgekarteten Spiels“ entstehen, zumal Richter Biernath, Richter Gönsch und Staatsanwalt Dr. Süß zuvor im Flur im eifrigen Gespräch gesehen worden waren.

Der Fall selbst ist nun juristisch in einer Sackgasse, da nach der StPO nur eine Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zu drei Wochen erlaubt ist; diese Frist ist bei weitem überschritten. Der Richter Biernath ist inzwischen im Ruhestand, der beauftragte psychiatrische Gutachter hat sich nie beim Angeklagten gemeldet. Das bedeutet, daß dieser absurde Fall höchstwahrscheinlich neu aufgerollt werden muß. Die Staatsanwaltschaft wäre gut beraten, von vornherein auf Freispruch zu plädieren. Dennoch, der Schaden für das Ansehen der hessischen Justiz dürfte enorm sein. Wie eine Staatsanwaltschaft auf die Idee kommen kann, mit Hilfe einer der Lüge überführten falschen „Jüdin“ einen echten Juden wegen einer angeblichen „Beleidigung“ anzuklagen, die vor allem in der Entlarvung der falschen „Jüdin“ besteht, und diesen Prozeß auch noch im Namen des deutschen Volkes führt, das wird ihr Geheimnis bleiben.

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